Die Geschichte des Ohrensessel

Die Geschichte des Ohrensessel

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile oder die Geschichte des Ohrensessel. Der Ohrensessel ist beliebt. In seiner unverwechselbaren Ästhetik verbindet er vortrefflich Form und Funktion miteinander und bietet jedem Besitzer ein hohes Maß an Behaglichkeit in den eigenen vier Wänden.

Seine Merkmale sind der feine Lederbezug, die Knopfheftung sowie die geschwungenen „Ohrenbacken“. Diese geben dem Ohrensessel sozusagen sein Gesicht und sorgen für zahlreiche Vorzüge.

Der Erfinder des Ohrensessels, der schottische Stararchitekt und Designer Robert Adams, hat sich für sein Möbelstück eine raffinierte Konstruktion einfallen lassen, die für eine schlüssige Gesamtkonzeption steht. Wie auch bei anderen Modellen ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Zeit, um ein wenig in die Geschichte des Ohrensessel einzutauchen. Was war das für eine Zeit, in der dieser Ohrensessel enstand?

Ein Sessel passend zum Zeitgeist

Die Geschichte des Ohrensessel begann mit einem Auftrag. Diesen Auftrag für einen neuartigen Sessel vergab der englische Graf von Chesterfield Philip Dormer Stanhope an Robert Adams im Jahre 1771. Er benötigte ein stilvolles Sitzmöbelstück als Neuerung gegenüber dem vormals üblichen Liegesofa.

Zur Geschichte des Ohrensessel gehört, dass er nahe am Ofen stand.

Denn ein Liegesofa wie das Triclinium oder das Chaiselongue passte nicht mehr in die Zeit der Aufklärung mit ihrem Sinn für Dynamik. Es war die Zeit der Debattierclubs, in denen sich im Sitzen pointierter diskutieren ließ als im Stehen. Abgesehen davon standen die Unabhängigkeitserklärung der USA mitsamt der Deklaration der Menschenrechte sowie die Französische Revolution schon vor der Tür.

Wer wollte in solchen historischen Stunden noch in seinem Sofa schlafen? Wer heute hingegen doch einmal in seinem Ohrensessel die Beine hochlegen möchte, für den gibt es längst Abhilfe. Jeder kann nämlich einen Ohrensessel mit Hocker kaufen und somit jederzeit, wenn er mag, gemütlich seine Beine hochlegen.

Ein durchdachtes Konzept mit vielen Vorteilen

Robert Adams stellte den Grafen und seine Gäste mit seinem Modell hochzufrieden. Seine Konstruktion, die als Chesterfield-Sessel in die Geschichte der Sofas einging, war repräsentativ und komfortabel zugleich. Der Sitzende saß bequem und konnte seinen Kopf jederzeit an die Ohrenbacken des Sessels anlehnen.

Der Ohrensessel war zudem optimal auf die räumlichen Gegebenheiten der damaligen Zeit angepasst. Die massiven geschwungenen Kopflehnen fingen die Wärme des lodernden Kaminfeuers ein. Gleichzeitig war der Sitzende vor der kühlen Zugluft sowie vor akustischen Störgeräuschen geschützt.

Die Akustik war auf die Sitzrichtung ausgerichtet, sodass der Gast des Grafen dem Gespräch problemlos zu folgen vermochte.

Ein Rückzugsort mit hohem Komfort

Der Popularität auf den britischen Inseln folgte die Nachfrage in ganz Europa. Der Ohrensessel veränderte die Sitten zu Hof und bei den Großbürgern signifikant. In deutschen Landen war die Popularität des Ohrensessels in der Epoche des Biedermeiers auf ihrem Zenit. Ruhe, Gemütlichkeit und Behaglichkeit waren das Gebot der Stunde.

Überdies kam der überaus bequeme Ohrensessel dem Drang vieler Deutschen nach Rückzug und Innerlichkeit in dieser Epoche entgegen. In bequemer Liegeposition ließ sich gemütlich Kaffee trinken, eine Pfeife rauchen und Zeitung lesen. Was bedarf es mehr zum privaten Glück?

Die Stilvielfalt der Ohrensessel

Seit 1771 hat sich viel geändert. Es änderten sich die Sitten und Gebräuche und es wandelten sich die Lebensbedingungen. Die Zentralheizung sorgte für eine gleichmäßige Wärmeentwicklung in den Wohnstuben, sodass die geschwungenen Ohrenbacken ihre Funktion als Wärmespeicher verloren.

Nach der Emanzipation des Bürgertums folgte die Emanzipation der Arbeiterklasse, sodass immer mehr Schichten in den Bevölkerungen Europas dazu in der Lage waren, sich einen Ohrensessel zu leisten und von seinen Vorzügen zu profitieren. Einen Ohrensessel gibt es heute im Vintage-Stil, im modernen Stil, mit einem Schuss Extravaganz wie auch mit einem Sinn für Exzentrik. Auch das traditionelle Leder ist nicht mehr obligatorisch.

Zwar ist Leder in puncto Atmungsaktivität, Haltbarkeit und Reinlichkeit nach wie vor die beste Wahl. Doch wer nach einem noch größeren Sitzkomfort sucht, kommt in einem Ohrenbackensessel aus Samt, Fell und Kunststoff auf seine Kosten. Durch ein Drehkreuz und Kufen kann sich der Ohrensessel zudem in einen Drehstuhl und in einen Schaukelstuhl verwandeln.

Bildquellen:

© Engin Akyurt / pixabay.com / Rainer Sturm  / pixelio.de

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